Leonel kündigt uns für heute einen langen Reisetag an und so brechen wir schon gegen 7:30 Uhr auf. Trotz des frühen Aufbruchs fällt ohne besondere Erklärung der erste Programmpunkt aus – ein Ausflug auf die Insel Flores im Lago de Peten Itza – wir gehen davon aus, dass es der Zeit geschuldet ist, aber wären dafür gerne noch früher aufgestanden. Wir wollen heute durch den Norden Guatemala‘s bis zum Grenzfluss Rio Usumascinta fahren, der die natürliche Grenze zur Provinz Chiapas in Mexico bildet. Dort planen wir dann noch den Besuch der Mayastätte Yaxchilan und die Weiterfahrt bis in ein Camp der Lacandonen im Dschungel. Die Lacandonen sind direkte Nachfahren der Mayas und leben noch recht ursprünglich.
Wir erkennen das Zeitproblem recht schnell: die Straße, auf der wir unterwegs sind, ist ein ungeteerter staubiger Weg auf dem selbst unser versierter guatemaltekischer Fahrer Mathias nur sehr langsam vorankommt.
Leonel macht sich Sorgen, dass wir es mit dieser langsam zu befahrenden Strecke und den noch kommenden Grenzformalitäten nicht bis 16 Uhr nach Yaxchilan schaffen, der spätesten Einlasszeit in die Mayastätte – auch wir fühlen uns nun davon etwas gestresst.
Unterwegs sehen wir einige Dörfer und Gebirgsketten, eine gute Gelegenheit, noch einmal kurz etwas über Guatemala zu erfahren: Guatemala, mit 17 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Mittelamerikas ist die Wiege der Mayakultur und auch heute sind noch 40% der Einwohner Guatemalas Mayas, haben jedoch kaum politische Mitspracherechte. Die politische Macht liegt bei einer kleinen Elite von Mestizen und Ladinos. Obwohl Guatemala schon seit über zweihundert Jahren ein unabhängiges Land ist, waren die Regierungen fast immer von Diktatoren bzw. einer Militärmacht geführt. Leider ist Guatemala auch ein Drogenkorridor, vor allem für Kokain und wird von Kartellen beherrscht, die auch eng mit dem Militär verknüpft sind.
Landwirtschaftlich liegt der Fokus auf dem Anbau von Kaffee (guatemaltekischer Kaffee ist berühmt) und Mais (maize) – dem heiligen Getreide der Maya – die Maya dachten, dass die Menschen aus Mais entsprungen sind.
Wir bereisen nur den Norden Guatemalas mit dem Dschungel von Peten der sehr dünn besiedelt ist, jedoch hat Guatemala ein sehr vielseitiges Profil. Neben dem Dschungel im Norden gibt es hohe Gebirgsketten bis zu 5000 Metern im Süden (Teil des panamerikanischen Gebirgszuges, der dann in die Anden übergeht), außerdem Karibik und Pazifikküsten. Die Mehrzahl der Einwohner wohnt im Süden um Guatemala City.
Plötzlich wird unsere Fahrt von einem Stau gestoppt. Bald erkennen wir, dass es sich um eine Art Landwirtschaftsparade handelt. Vor uns ein riesiger Konvoi von Traktoren und anderen landwirtschaftliche Fahrzeugen die prächtig geschmückt sind und auf denen ganze Familien sitzen und feiern – ein grandioser Anblick.
Matthias fährt mutig auf die Gegenspur und kann so einige Meter gut machen.
Dann aber dreht der Konvoi und wir müssen zurück in die Reihe und als Teil des Konvois unseren Weg fortsetzen. Das kostet Zeit ist aber für uns gleichzeitig ein spannendes Erlebnis und wir winken uns fröhlich mit den einheimische Familien zu.
Endlich erreichen wir den Wendepunkt und können wieder frei fahren – Matthias fährt so schnell wie möglich auf dieser unbefestigten Straße und wir fühlen uns jederzeit sicher.
Am frühen Nachmittag kommen wir am Grenzfluss an. An einem kleinen Häuschen vollziehen wir die Ausreise aus Guatemala. Der Grenzbeamte muss erst das Stempelkissen neu tränken, um unsere Pässe stempeln zu können. Dann verabschieden wir uns von Mathias und es geht mit dem Gepäck in der Hand das Ufer zum Grenzfluss hinunter direkt auf ein Boot.
In wenigen Minuten sind wir am anderen Flußufer, in der mexikanischen Provinz Chiapas und damit – noch nicht ganz legal – wieder auf mexikanischem Boden. Wir wuchten die Koffer ans Ufer und dort wartet schon wieder Rabel, unser mexikanischer Fahrer auf uns und wir verstauen das Gepäck im Bus. Am Ufer verkaufen kleine Kinder Obst und wir probieren kleine rote Miniäpfel, die eher wie eine Sternfrucht schmecken.
Nun müssen wir noch unseren Aufenthalt in Mexico legalisieren. Die Polizeistation macht jedoch gerade Siesta und lässt uns warten – die Zeit läuft. Endlich öffnet sich der Schalter und wir bekommen unseren Einreisestempel – die ganze Prozedur kosten uns fast ein Stunde. Nun heisst es auf ein schnelles spätes Mittagessen ins nahegelegenen Restaurant – wo eine neue Überraschung auf uns wartet – keine Kartenzahlung möglich und der nächste Geldautomat – in Palenque – also frühestens in zwei Tagen. Glücklicherweise bin ich im Ausland ein Freund von Bargeld und wir hatten in Bacalar etwas mehr Pesos abgehoben, so können wir alle versorgen.
Jetzt aber ganz schnell ins Boot für die 45-minütige Fahrt zur Mayastätte Yaxchilan (in Maya: Grüner Felsen), die nur über den Wasserweg erreichbar ist.
Die Bootsfahrt ist wunderschön und wir erreichen die Stätte noch rechtzeitig um eingelassen zu werden.
Nach ein paar einleitenden Worten durch Leonel können wir die Stätte, die ihre Blütezeit zwischen 250 und 900 AD hatte, etwas auf eigene Faust erkunden. Auch hier sind wir praktisch alleine.
Zunächst gibt es wieder ein Fotoshooting am allgegenwärtigen Ceiba Baum.
Ein besonderes Highlight ist der Ballspielplatz (den wir später in Palenque auch wieder sehen).
Die Mayas hatten schon Bälle aus Kautschuk. Das Spiel war jedoch eher ein Ritual: zwei Mannschaften junger Krieger standen sich auf zwei Erhöhungen gegenüber und es ging darum den Ball in einen hoch gelegenen Steinring zu schießen, allerdings durfte der Ball nur mit Knie, Hüfte oder Schulter berührt werden. Lediglich die Mannschaftskapitäne durften einen am Boden liegenden Ball durch eine Art Einwurf wieder ins Spiel bringen. Sieger war, wer zuerst den Ball durch den Steinring brachte – jedoch, und jetzt kommt das für uns unerklärliche, wurde der Sieger dann als „Belohnung“ geköpft -scheinbar eine Ehre zur damaligen Zeit.
Nun kommt ein besonderes Bauwerk: über viele, viele steile Stufen geht es hoch zu einem großen Palast, eine sehr beieindruckende Ansicht, von unten wie von oben.
Beim Besteigen der Stufen werden wir auch noch von Affen bedroht, die recht schwere Palmwedeln hinunterwerfen und wir hoffen, bloß keine auf den Kopf zu bekommen.
Wir genießen die Stätte, müssen uns aber auch etwas beeilen, was schade ist.
Zum Abschluß gibt es noch eine Aussicht auf den Fluß. Hier gab es wohl zu Mayazeiten auch eine Brücke auf die andere Flußseite (was wir am nächsten Tag bei den Lacandonen auf einem Bild sehen können).
Bei tiefstehender Sonne geht es ganz romantisch zurück im Boot wieder bis zu unserem Bus.
Nun noch eine knappe Stunde Fahrt im Sonnenuntergang bis ins Campamente Lacandones, wo wir die nächsten zwei Tage nächtigen werden.
Die Lacandonen sind direkte Nachfahren der Maya und leben noch recht ursprünglich im Dschungel. Die meisten von ihnen, aber nicht alle, tragen ein traditionelles langes weißes Leinenkleid.
Wir kommen gerade noch rechtzeitig zum Abendessen – das Essen ist einfach aber qualitativ okay und es gibt nur wenig Auswahl. Dafür ist es sehr preiswert und so schaffen wir es, die nächsten zwei Tage mit meinen Bargeldreserven zu überleben.
Das von den Lacandonen bewirtschaftete Camp ist sehr einfach und naturnah am Lacanja-Fluß gelegen, den man auch nachts rauschen hört. Die Geräuschkulisse ist allerdings eher dörflich: wir hören nachts den Hahn krähen und Schweine grunzen.
Wir sind schon gespannt auf den nächsten Tag der mit einem Rafting auf dem Fluß beginnen soll.