Es ist das lange Faschingswochenende und wir besuchen unsere Familie. Für den Sonntag suchen wir nach einem uns noch unbekannten Ziel für einen Tagesausflug. Nicht weit entfernt befindet sich das Taubertal. Wenn man sich erst einmal damit beschäfigt gibt es ungefähr 101 mögliche Ziele alleine in diesem Gebiet. Hier beginnt auch die Romantische Straße, die bis zum Schloß Neuschwanstein führt. So weit wollen wir heute allerdings nicht. Nach einigem Überlegen entscheiden wir uns für Weikersheim und Bad Mergentheim – also Taubertal für Einsteiger. Den allseits bekannten Touristenmagnet Rothenburg ob der Tauber heben wir uns für ein anderes Mal auf.
In gut einer Stunde erst entlang des Mains und dann entlang der Tauber kommen wir von Wertheim bis nach Weikersheim. Schon von weitem grüßt die Silhouette des Schloßes. Wir parken am Gänseturm in der Altstadt. Der Gänseturm ist besteigbar, aber ist im Winterhalbjahr, so wie auch das kleine Stadtmuseum, geschlossen.
Wir kommen auf den schönen großen Marktplatz, der an seiner Westseite vom Schloß begrenzt wird.
Die Stadt ist menschenleer (es ist Faschingssonntag). Wir betreten die sehr schöne Stadtkirche, auch hier sind wir ganz alleine.
Danach geht es über die Zugbrücke rüber zum Wasserschloß. Wir haben Glück, gerade beginnt eine Führung.
Mit einer kleine Gruppe brechen wir auf. Wir haben eine sehr wissensreiche und unterhaltsame Führerin. Das Barock und Renaissanceschloß Weikersheim wurde um 1586 vom Graf Wolfgang II von Hohenlohe zum Wohnsitz ausgebaut. Das Besondere: fast alle Räume sind heute noch im Original aus dieser und späteren Renaissance-Umbauten erhalten (Böden, Wände, Möbel). Leider durften wir im Schloß keine Fotos machen, aber im Internet sind sie auf der Website des Schloßes zu finden.
Damals hatte jedes erwachsene Familienmitglied 3 Zimmer: Ein Vorzimmer, ein Audienzzimmer und ein Schlafzimmer, in dem auch teilweise noch Gäste empfangen wurden. Wir erfahren, daß zu jener Zeit rot und rosa als Männerfarben galten und die Zimmer entsprechend eingerichtet waren. Im Schloß ist es sehr kalt. Wir sehen wertvolle Ledertapeten, kunstvolle Deckenmalereien und Stuck und es gab sogar schon kleine Toilettenräume. Das unangefochtene Highlight ist jedoch der riesige Rittersaal mit seiner bemalten Kasettendecke, dem riesigen Kamin und Stuckabbildungen von jagbaren Tieren, vom Wild bis hin zum Elefanten und Löwen. Unsere tolle Führerin versteht es immer wieder, die damalige Zeit für uns zu Leben zu erwecken.
Aus dem Fenstern erhaschen wir einen Blick auf den weitläufigen Schloßgarten mit Orangerie. Im Winter sind jedoch die meisten Bäume abgedeckt. Ein Besuch in diesem kleinen und feinen Schloß lohnt auf jeden Fall. Im Sommer noch mehr, um auch den Schloßgarten genießen zu können.
Zum Mittagessen kehren wir in der urigen Kneipe „Zur Bastion“, früher Zollgefängnis der Stadt, ein, direkt vom Schloß über den Markt und dann links (Am Weinmarkt, Mühlstraße 14).
Es gibt gute, ehrliche schwäbische Hausmannskost, wie Maultaschen, Spätzle, Grünkernbratlinge, Schnitzel und Bratwurst. Dazu leckeren lokalen Silvaner und einen sehr freundlichen Service.
Gestärkt fahren wir weiter nach Bad Mergentheim. Die Stadt war viele Jahrhunderte ein wichtiger Sitz des Deutschen Ordens – der in diesem Jahr hier sein 800–jähriges Jubiläum feiert – entsprechend viel ist hier los.
Das imposante Stadtschloß, ehemalige Residenz des Ordens lädt zur Besichtigung ein. Ich muß erst einmal einiges über der Orden lernen, der mir so noch kein richtiger Begriff war. Im 11. Jahrhundert gegründet, zunächst pflegerisch tätig, dann als Ritterorden, lehnte sich der Deutschorden an Vorbilder wie z.B. die Templer an und beteiligten sich wie sie an Kreuzzügen ins heilige Land. Bekannt durch ihre weißen Gewänder mit dem schwarzen Kreuz ging der Orden durch eine bewegte Geschichte, in ganz Europa und im nahen Osten, die man im Deutschordenmuseum des Schloßes gut nachvollziehen kann. Besonders war, daß 3 Religionen im Orden Platz fanden: Katholiken, Lutheraner und Calvinisten, wobei der Hochmeister immer von den Katholiken gestellt wurde. Heute existiert der Orden noch auf kleiner Ebene und ist vorwiegend religiös und karitativ geprägt. Geleitet wird der Orden bis heute von einem Hochmeister.
Wir nehmen an einer Führung in einer sehr große Gruppe teil, haben aber hier weniger Glück als in Weikersheim. Die Führung wird in (nicht besonders guten) Versen vorgetragen und ist wirklich langweilig. Schnell machen wir uns selbstständig und können uns das Museum sehr gut über die Infotafeln erschließen. Eine definitiv sehenswerte und informative Ausstellung. Man kann auch durch die Galerie der Hochmeister schreiten, sieht den noch sehr gut erhaltenen Kapitelsaal und darf Kettenhemden anprobieren.
Neben dem Deutschorden-Museum auch noch interessant: das Mörike-Kabinett – der Biedermeierdichter Eduard Mörike heiratete in Bad Mergentheim und verbrachte einige Jahre seines Leben hier; die Geschichte der Quellen und Brunnen und eine wunderschöne historische Puppenhausaustellung.
Ein besonderes Highlight ist die sogenannte Berwarttreppe. Diese einzigartige Wendeltreppe wurde 1574 von Blasius Berwart erbaut. Die Treppe ruht in der Mitte auf feinen, kunstvoll gehauenen Säulen. Von unten in die Mitte gestellt und nach oben fotografiert ergibt sich ein imposantes Schneckenbild das in der Sonne am Treppenhimmel kulminiert.
Die Anlage hat auch noch einen riesigen Garten, der bis runter zur Tauber führt, aber jetzt im Winter natürlich wenig bietet. Insgesamt sollte man noch einmal im Sommer ins Taubertal zurückkommen, wenn es landschaftlich am eindrucksvollsten ist.
Im Café im Park gibt es jede Menge Torten und Pralinen mit Deutsch-Herren-Flair und sehr guten Tee.
Zufrieden mit dem Tag kehren wir zurück und wissen: das heute war nur ein Appetithappen – das Taubertal hat noch Stoff genug für weitere Besuche, auch mehrtägige Radtouren locken schon.