Ein wunderbarer warmer Spätsommertag im August inspiriert uns zu einem Tagesausflug entlang der fränkischen Weinstraße aka Bocksbeutelstraße. Aus dem Buch Europas schönste Weinrouten haben wir uns die Nordroute ausgesucht: Von Hammelburg über Karlstadt bis nach Thüngersheim.
Früh am Morgen geht es von Marktheidenfeld zunächst direkt nach Hammelburg. Über malerische kleine Dörfer sind wir in einer guten Stunde dort und parken direkt vor den Stadtmauern auf einem riesigen Parkplatz, der erahnen läßt, dass hier normalerweise viel los.
Doch trotz der Sommeratempause beschert uns Corona auch hier fast freie Bahn, natürlich mit den Nachteilen, daß kein Museum geöffnet ist und auch die vielen niedlichen Weingüter nur bedingt zugänglich sind. Als erstes sehen wir das imposante Kellerei-Schloss, auch Rotes Schloss genannt mit seinem schönen Schlossgarten vor uns.
Von hier führt eine Treppe hinauf direkt zum Markplatz. Schon jetzt haben wir das Gefühl, Hammelburg immer unterschätzt zu haben. Unzählige Male sind wir hier in der Vergangenheit auf der vorbeiführenden Bundesstraße von Frankfurt nach Thüringen gependelt, ohne auch nur über einen Stop nachzudenken. Die Stadt wirkt recht groß, deshalb suchen wir zunächst Orientierung in der Tourist-Information. Wir erfahren, daß Hammelburg die älteste Weinstadt Frankens sein soll, wo schon vor vielen Jahrhunderten die Mönche des Kloster Fulda ihren Messwein herstellten. Die Stadttouristik ist sehr gut aufgestellt. Besonders gut: das „Stadtmenü in 2 Gängen“ – zwei ineinander verwobene Touren durch die Innenstadt, die wir mit viel Spaß ablaufen. Rundgang 1 führt durch die südliche Altstadt: Wir beginnen auf dem Markplatz mit seiner schönen Rathausfassade, dann passieren wir noch einmal unseren Ausgangspunkt, das Kellereischloß und laufen entlang der Stadtmauer bis zur katholischen Stadtpfarrkirche St. Johannes der Täufer mit lohnenswerten Innenansichten.
Ein paar Minuten später stoßen wir dann ganz kontrastreich auf die supermoderne evangelische Pfarrkirche St. Michael.
Weiter geht es durch malerische Gassen. Wir finden z.B. einen Bäcker, der Minibrote in der Form von Bocksbeuteln, der traditionellen fränkische Weinflaschenform, im Programm hat, leider aber ist er heute geschlossen.
Auf Rundgang 2 in der nördlichen Altstadt gibt es viel Stadtgeschichte, aufbereitet auf wunderschönen Informationstafeln, auf denen jeweils eine historische Persönlichkeit oder ein verdienter Bürger der Stadt zu uns spricht. So erfahren wir z.B. auch, daß Hammelburg schon seit 1895 Garnisonsstadt ist. Hier werden also seit über 100 Jahren Truppen militärisch ausgebildet. Wir lesen die Geschichte von Captain Abraham J. Baum, der im März 1945 in einer waghalsigen Aktion versuchte, über 1000 alliierte Kriegsgefangene aus Hammelburg zu befreien. Vorbei an Winzerhäusern klettern wir auf einen der typischen „halben“ Stadttürme.
Um Material zu sparen, waren diese Türme nur nach außen rund, zum Stadtinneren hin jedoch mit einer geraden Mauer begrenzt. Von hier oben haben wir wunderschöne Ausblicke über die Dächer von Hammelburg, auf die Museumsinsel und auf die andere Seite der Saale hinauf zur Burg Saaleck.
Historisch interessant ist die folgende Route über den Viehmarkt, das Bürgerspital und zur ältersten Apotheke der Stadt. Danach geht es hinunter zur Saale auf die Museumsinsel. Hier befindet sich das, leider gerade geschlossene, Stadtmuseum in der alten Herrenmühle.
Ein kurzer Spaziergang durch die alten Mühlenanlagen führt uns wieder zurück zum Parkplatz an der Stadtmauer.
Die Mittagssonne brennt und wir beschließen, unser Glück im Restaurant der Burg Saaleck zu versuchen. Über eine kleine Straße geht es kurvig bergauf. Auf halber Höhe befindet sich das Kloster Altstadt mit schönem Kapellenkreuzweg in dem sich auch die bekannte bayrische Musikakademie befindet.
Oben auf Burg Saaleck ist einiges los. Wir fragen nach einem der wenigen Tische im vornehmen, mittelalterlich eingerichteten Burgrestaurant.
Da durch die Hygienevorschriften nur sehr wenige Tische im Restaurant stehen, fühlt es sich fast privat an. Die Speisekarte ist sehr gut und wir probieren zwei sehr feine und wohlschmeckende Gerichte, dazu einen Silvaner vom hauseigenen Bio-Weingut.
So gestärkt geht es nun weiter Richtung Karlstadt. In der Nähe soll sich eines der neu eröffneten „terroir f“ befinden, im Ortsteil Stetten. Die sogenannten „terroir f“ sollen Orte sein, an denen die „ganze Magie des Frankenweins besonders zu spüren ist“. Mittlerweile gibt es knapp 20 davon. Das terroir f Karlstadt Stetten wurde 2020 zur schönsten Weinsicht des Jahres gekürt. Das Wetter ist inzwischen weniger magisch und der Himmel wird dunkel. Wir müssen etwas suchen, um das „terroir f“ zu finden, da es sich etwas außerhalb in den Weinbergen befindet und nicht ganz so gut ausgeschildert ist. Nach ein paar Versuchen finden wir einen Parkplatz in den Weinbergen und laufen von dort in ca. 15 Minuten vorbei an wunderschönen Reben (vom Silvaner, über den Rivaner, Riesling, Rieslaner usw.) zum Ziel, das wir bei strömendem Regen erreichen.
Dafür haben wir den magischen Ort ganz für uns allein.
Trotz des verhangenen Himmels können wir weit über die Weinberge und den Main in die Landschaft sehen und so läßt sich die Magie erahnen.
Lange verweilen wir hier allerdings bei diesem Wetter nicht und fahren weiter nach Karlstadt.
Karlstadt wurde im Mittelalter von den Würzburger Bischöfen als Planstadt angelegt zur Absicherung ihres Territoriums. Das Resultat läßt sich sehen. Wir finden eine schöne, große Altstadt mit vielen historischen Gebäuden, Resten der alten Stadtbefestigung und wunderschönen Läden, die zum shoppen einladen.
Inzwischen hat sich das Wetter wieder beruhigt und wir schlendern gemütlich durch die urigen Gassen in denen viele Häuschen auch in kreativer Weise modern saniert wurden. Am Mainufer erhaschen wir einen Blick auf die Burgruine Karlstein auf der anderen Mainseite, sparen uns heute aber den Aufstieg dahin und machen stattdessen am Stadttor eine kurze Rast in einem der gemütlichen Weinlokale.
Unsere letzte Station ist der Weinort Thüngersheim, eine der größten Weinbaugemeinden Frankens, in der ich unbedingt der Winzergenossenschaft Divino Winzergenossenschaft Divino, von der ich schon viel gehört habe, einen Besuch abstatten möchte.
Wir parken kurz vor dem Stadttor, direkt vor dem auch bekannten Weingut Geiger und Söhne und bummeln zunächst durch die Altstadt, die mit ihren schönen Fachwerkhäusern und den vielen Brunnen mit besonderen Sandsteinskulpturen sehr malerisch ist.
Am anderen Ende der Haupstraße verlassen wir die Innenstadt wieder durch ein Stadttor und befinden uns direkt vor den Gebäuden der Winzergenossenschaft Divino, die neben Thüngersheim auch noch einen Standort in Nordheim hat. Die Vinothek ist sehr modern eingerichtet und die Vielfalt des Angebots erschlägt uns fast, aber die große Bandbreite ist der Vorteil einer Genossenschaft. Nach einem Orientierungsbummel durch die Vinothek dürfen wir unter Auflagen ein paar Weine probieren. Schlußendlich wählen wir den Sauvignon Blanc und die Scheurebe aus der Juventus-Linie aus und nach der Verkostung aller 5 Domina, die Divino im Angebot hat, bleibe ich beim Domina Charakter F Stückfast Nr. 7 von 2015 im Bocksbeutel hängen, der mir sehr gut schmeckt und mit 15 Euro für die gebotene Qualität ein sehr guter Deal ist. Inzwischen konnten auch schon einige unserer Freunde in den Genuß kommen und stimmen mir hier zu.
Nach dieser Verkostung schaffen wir heute kein weiteres Weingut mehr. Geiger und Söhne müssen wir beim nächsten Mal einen Besuch abstatten.
Voller schöner Eindrücke und um viel Wissen und einige Divino Weinflaschen reicher kommen wir am frühen Abend wieder in Marktheidenfeld an. Wir sind uns sicher, daß dies nicht unsere letzte Tour auf der fränkischen Bocksbeutelstraße war.